Joel Banks verzichtet in diesem Sommer auf entspannte Urlaubswochen. Wobei er die Monate seit dem Gewinn der deutschen Meisterschaft trotzdem mit seiner Lieblingsbeschäftigung verbringt: dem Volleyball. Parallel zu seinem Job als Cheftrainer in Berlin coacht der 50-Jährige die niederländische Nationalmannschaft. Ein Gespräch über die Herausforderung Volleyball Nations League (VNL) und ein erster Blick voraus auf die nächste Saison mit den BR Volleys.
Hallo Joel! Wo bist du und womit beschäftigst du dich gerade?
Joel Banks: Ich bereite mich mit der niederländischen Nationalmannschaft im Sport-Leistungszentrum in Papendal bei Arnheim auf die dritte Runde der Volleyball Nations League vor.
Wie waren die ersten Monate im neuen Job?
Banks: Anstrengend. Es gibt so viele Veränderungen: Ich bin der neue Coach, wir haben einen neuen Staff, ein neues Team. Einige der älteren Spieler haben aufgehört oder wünschen eine Pause. Das bedeutet viele Gespräche, viele Meetings, viele Trainings – wie das so ist in einer neuen Position. Alles braucht seine Zeit, sich zu entwickeln. Trotzdem genieße ich es. Die letzten Wochen vergingen wie im Flug.
Und wie lautet dein Zwischenfazit?
Banks: Wir hatten einen großartigen Start beim ersten Turnier in China, mit einer starken Leistung gegen Polen, dem Sieg über die Türkei. Die zweite Woche in Belgrad verlief anders, wir begannen schlecht bei der Niederlage gegen Argentinien. Wir hatten auch in Serbien auf mindestens einen Sieg gehofft. Der ist uns nicht gelungen, nicht gegen Deutschland, nicht gegen Kuba und nicht gegen den Iran. Trotzdem bin ich mit dem bisherigen Verlauf in der VNL zufrieden. Es läuft besser, als ich es erwartet hätte.
Wie hast du das Duell mit Deutschland erlebt?
Banks: Es war stressig, ein Kampf zweier Teams, die Angst hatten zu verlieren. Das Niveau war nicht besonders hoch. Beide wussten, wie wichtig der Sieg war, das konnte man bei allen spüren. Deutschland gewann 3:1, für uns war es eine schwere Niederlage. Was sie bewirkte, kann man auch daran erkennen, dass wir unsere restlichen Spiele im Turnier verloren. Die Deutschen haben beide gewonnen.
Was treibt dich eigentlich dazu, diesen ganzen Stress und die vielen Reisen auf dich zu nehmen? Du hast mit den BR Volleys alle drei nationalen Titel gewonnen, du könntest dich irgendwo ausruhen und dich auf den Saisonbeginn im Oktober freuen.
Banks: Ich bin wohl ein bisschen verrückt, richtig?
Das hast du gesagt…
Banks: (lacht) Stimmt. Und ja: Das bin ich. Ich liebe eben meinen Volleyball. Im letzten Sommer hatte ich frei, es war wirklich schön, zu Hause zu sein. Ich habe es genossen, Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Aber nach ein, zwei Wochen fehlte mir das Coaching schon wieder ein bisschen. Deshalb suchte ich ein Programm, in das ich einsteigen könnte. Als Holland einen Trainer suchte, war ich sofort begeistert. Holland ist speziell für mich. Hier startete ich meine professionelle Karriere als Klubtrainer, 2010 bei Langhenkel Doetinchem. Meine Frau ist Niederländerin, ihre Familie sind Niederländer. Ich spreche die Sprache. Für mich war das also eine spezielle Gelegenheit. Dazu kommt ein Team, das ich wirklich trainieren wollte. Ich habe es sehr genossen, mit den BR Volleys am Ende der Saison die Meisterschaft gewonnen zu haben, nach Pokal und Supercup. Aber ein paar Tage später schon habe ich meine ganze Aufmerksamkeit auf Holland gerichtet.
Obwohl sich im Moment alles um deinen Job als Nationaltrainer dreht – können wir auch schon mal einen Blick auf die kommende Saison mit den BR Volleys werfen? Es gibt personelle Veränderungen.
Banks: Natürlich. Ich denke, bei einer Organisation wie den BR Volleys, die seit Jahren erfolgreich arbeiten, ist es völlig normal, dass Spieler weiterziehen, anderswo den nächsten Schritt ihrer Karriere machen wollen. Sei es für einen größeren Vertrag oder in eine bessere Liga als die Bundesliga. Unsere Aufgabe ist es dann, wieder ein gutes Team aufzubauen. Das ist uns die vergangenen Jahre gelungen. Es fängt schon damit an, dass in unserem Club grundsätzlich eine sehr positive Stimmung herrscht, in der sich gerade die neuen Spieler sofort wohlfühlen.
Die größte Veränderung findet bei unseren Zuspielern statt. Für Johannes Tille und Djifa Amedegnato kommen der Finne Fedor Ivanov und das deutsche Talent Arthur Wehner. Wird das die spannendste Personalie der nächsten Saison?
Banks: Zunächst mal war es eine sehr bemerkenswerte Entscheidung von Kaweh, Hannes ein Jahr vor Ende seines Vertrags freizugeben für einen Wechsel in die polnische Liga. Sie ist deutlich stärker als die Bundesliga, und für die Entwicklung von Hannes ist dieser Wechsel enorm wichtig. Ebenso für die Zukunft des deutschen Volleyballs, es ist für ihn als Zuspieler der Nationalmannschaft eine große Verbesserung in seiner Karriere. Was uns betrifft, denke ich, haben wir sehr guten Ersatz gefunden. Fedor ist mit seinen 24 Jahren ein sehr interessanter Spieler, der an einer anderen Stelle seiner Karriere ist als Hannes jetzt. Das ist ein bisschen wie ein Kreislauf: Einer zieht weiter, ein anderer steigt dort ein, wo vor ein paar Jahren Hannes eingestiegen ist. Und Arthur ist noch mal vier Jahre jünger und sehr motiviert, bei uns seine nächsten Entwicklungsschritte zu machen. Er ist ein sehr interessanter Spieler für die Zukunft des deutschen Volleyballs: groß für einen Zuspieler, mit vielen Fähigkeiten, sehr beweglich – wenn er hart arbeitet, kann er sich zu einem sehr guten Spieler entwickeln.
Kaweh Niroomand hat für den Verein das Ziel gesetzt, junge deutsche Spieler ins Team zu integrieren. Neben Arthur Wehner ist das in der kommenden Saison der ebenfalls erst 20-jährige Libero Maximilian Treiter. Ist das die Zukunft der BR Volleys?
Banks: Das ist eines der Elemente im Konzept für das Team und den Club. Man steckt da in einem Dilemma. Du brauchst ein gewisses Level, um jetzt erfolgreich zu sein. Aber auch in der Zukunft. In junge Spieler zu investieren, ist die Zukunft. Was sie brauchen, sind eine große Motivation und eine hohe Arbeitsmoral, um jeden Tag ein Stückchen vorwärtszukommen. Das Umfeld, das die BR Volleys als Ganzes bieten, ist fantastisch für junge Spieler, sich zu entwickeln, sei es technisch, taktisch, medizinisch, auch mit den erfahrenen Spielern, die hier sind.
Lass uns noch einmal über die Zuspieler sprechen. Ist das die Stelle im Team, wo das höchste Risiko für die BR Volleys besteht, an Qualität zu verlieren?
Banks: Hannes war immer ein stabiler Faktor, seit ich vor zwei Jahren nach Berlin kam. Mit seiner Art zu spielen, seiner Persönlichkeit und seinem Niveau. Aber nichts hält ewig, es war klar, dass er irgendwann wechselt. Ich denke, es ist smart vom Verein, jetzt auf einen Spieler zu setzen, der zwar nicht ganz am Anfang seiner Karriere steht, aber noch in einer der ersten Phasen. Auf einen wie Fedor Ivanov. Und dazu auf ein Talent wie Arthur, den wir auch ins Team bringen müssen. Ist das ein Risiko? Ich finde: nein. Hannes kam ebenso zum Club als zweiter Zuspieler. Als die Chance kam, hat er sie genutzt. Jetzt hat sich ein Spot geöffnet für Fedor und Arthur; beide haben entschieden, ihn anzunehmen und können jetzt hoffentlich dem Team etwas geben, indem sie ebenfalls ihre Chance nutzen. Darum will ich hier nicht von einem Risiko sprechen. Sondern lieber von einer sehr interessanten Position. Klar ist jedenfalls, dass Hannes große Fußabdrücke hinterlässt.
Nächste Saison spielt die Bundesliga mit 15 Teams, Absteiger gab es keine, die Barock Volleys MTV Ludwigsburg und der SV Warnemünde steigen auf. Wie siehst du die Erweiterung?
Banks: Aus meiner Sicht als Trainer bedeutet das erst einmal, dass auf unser Team mehr physischer und mentaler Druck zukommt. Es wird herausfordernd, einfach, weil wir mehr Spiele haben. Durch die Weltmeisterschaft wird die Saison erst Ende Oktober und damit relativ spät beginnen. Deshalb spielen wir da erst mal alle drei Tage. Ich glaube zwar, wir haben ein Team zusammengestellt, das diese Belastung verkraften kann. Wir müssen sie aber gut steuern. In jedem Fall bedeutet es mehr Reisen und mehr Spiele in einer Saison, in der weniger Zeit ist und somit eine höhere Belastung für den Club und für die Spieler. Grundsätzlich ist es andererseits gut, dass die Bundesliga wächst. Ich kann nur hoffen, dass die Clubs auch wirtschaftlich stabil bleiben.
Viel Arbeit wartet also hier auf dich. Wann wirst du zurück in Berlin sein?
Banks: So schnell wie möglich. Zunächst will ich natürlich mit den Niederlanden bei der Weltmeisterschaft auf den Philippinen (12. bis 26. September) so weit wie möglich kommen. Dann fliege ich nach Hause zu meiner Frau, sammle ein paar Sachen ein und reise weiter nach Berlin. Wann genau ich dort sein werde, kann ich nicht sagen.
Quelle: Christoph Bernier/BR Volleys
Foto: © Andreas Gora