700 Leute im Party-Zug des 1. FC Union waren bei der Rückfahrt von Stuttgart nach Berlin trotz der Niederlage nicht deprimiert. Sie brauchen es auch nicht, mit 54 Punkten nach 30 Saisonspielen. Vor der Saison hätten sie solch eine Bilanz sofort unterschrieben. Aber, der Mensch wächst mit seinen Aufgaben und vollbrachte Taten wecken neue Begehrlichkeiten. Das ist halt der 1. FC Union Berlin, der etwas andere Verein im deutschen Profifußball. Sie sind und bleiben auch ein Verein, während der VfB Stuttgart, der Gegner vom Montagabend gerade dabei ist, den Profifußball regelkonform auszugliedern. Es sollen so weitere Sponsoren angelockt werden. Ein in Stuttgart ansässiger Autobauer hat bereits zusätzliche Millionen an Euros für den Spielbetrieb in Aussicht gestellt. Die 2. Liga soll ein Intermezzo für eine Saison bleiben. Ein Grundstein dafür wurde mit dem Sieg über den 1. FC Union gelegt.
Als Schiedsrichter Patrick Ittrich die Partie abpfiff jubelten die Stuttgarter. In 90 Minuten plus der Nachspielzeit hatten sie den Aufstiegsmitbewerber aus der Berliner Wuhlheide klar und deutlich mit 3:1 geschlagen. Während der VfB aus Stuttgart eines der besten Saisonspiele ablieferte, lief bei den Eisernen so gut wie nichts zusammen. Maxim (Freistoß 29. min) und Terodde, der in der 33. min einen klasse ausgespielten Konter vollendete, sorgten für die 2:0 Führung nach der 1. Halbzeit. Bei den Eisernen ging fast nichts. Die Abwehr hatte Schwerstarbeit zu leisten und nur eine einzige dicke Torchance war für die Eisernen zu notieren. In der 26. Minute, im Anschluss an den ersten Eckball von Union, köpfte Polter unbedrängt den Ball neben den Pfosten.
In der 2. Halbzeit fiel der Anschlusstreffer durch Polter in der 57. Minute. Anschließend wackelten die Stuttgarter etwas. Schließlich nahmen sich die Berliner selbst aus dem Spiel. Ein erneuter individueller Fehler, es war der zuverlässige Toni Leistner, dem ein technischer Fehler unterlief und der dem gerade eingewechselten Ginczek ermöglichte das 3:1 zu erzielen. Nach 68. Minuten war der Drops ausgelutscht. Der VfB Stuttgart stürmte mit 60 Punkte allein an die Tabellenspitze.
Es sind noch 4 Spiele zu spielen und somit 12 Punkte zu holen. Union hat 3 Punkte Rückstand auf einen direkten Aufstiegsplatz oder die Relegation. Das Restprogramm hat es in sich, der nächste Heimgegner ist der SV Sandhausen und folgt die Auswärtsaufgabe in Braunschweig. Sie müssen auf Ausrutscher der Konkurrenz hoffen und dürfen dabei selbst nicht straucheln. Relegation, direkter Aufstieg oder der Platz 4, alles ist möglich. Überträgt sich die Gelassenheit des Umfeldes auf die Mannschaft ist weiter alles möglich. In Stuttgart hatte man Eindruck, als hätte der Kopf nicht so richtig mitgespielt. Der Gegner war richtig stark, wie es Jens Keller auf der Pressekonferenz vor dem angemerkt hatte, „Stuttgart ist ein Erstligist“. Der 1. FC Union wird erst einer, vielleicht.
Hans-Peter Becker