Erfahrungsgemäß können im Überlebenskampf am besten Punkte gegen Mannschaften aus dem Mittelfeld geholt werden. Bayer Leverkusen, Tabellenelfter mit 28 Punkten, jenseits von Gut und Böse, schien eine wenig konstante Truppe zu sein. Die Hertha-Anhänger hofften am 23. Spieltag an die Fortsetzung der zuletzt gezeigten Leistungen. Doch die Schützlinge von Trainer Sandro Schwarz fielen in alte Strickmuster zurück. Bekanntlich spielt der Gegner immer so gut, wie man es zulässt und Hertha ließ einfach zu viel zu; den Schützlingen von Trainer Xabi Alonso viel zu viel Raum für ihre Angriffe. Da nützt es nichts, den Berlinern für ihre beiden ersten, frühen Gegentore Trost zuzusprechen, wo der Ball recht unglücklich die Torlinie überschritt. Das Chancen-Übergewicht der Leverkusener deuteten die frühe Entscheidung beängstigend an. War es die falsche Taktik oder begnügten sich die Spieler mit der Erkenntnis, „wir stehen ja auf dem 14. Tabellenplatz“?
Diese Sicht ist nun am kommenden Wochenende gegen die aktuell effektiv auftrumpfenden Mainzer überhaupt nicht angebracht. Verliert Hertha auch diese Partie, könnte Huub Stevens mit seiner Prognose Recht behalten, dass Schalke die Position mit Hertha am Ende umkehren wird. Schalke gewann das Revierderby in Bochum und ist nicht mehr Letzter. Seltenheitswert, die letzten Vier haben alle 19 Punkte und Hertha hat 20.
Nach Herthas Siegen verstummten plötzlich die vielen Nebengeräusche im Verein und in Berlin. Das ist das eindeutige Zeichen, dass die Leistungen auf dem Platz auch das Stimmungsbarometer bestimmen. Einen Meistertitel hat ja nun Hertha BSC unbestritten: Hertha ist Abfindungsmeister! Mal nur die beiden letzten Jahre zugrunde gelegt, zahlte Hertha rund acht Millionen an Abfindungen für Ex-Mitarbeiter.
So sind in der Boulevardpresse aufgelistet die Bezüge an Michael Preetz und zweimal für Pal Dardai, wie auch an Andreas Neuendorf, Vladimir Darida, Davie Selke und Petry Zsolt. Wie die Sache mit Fredi Bobic ausgeht, ist keineswegs ausgestanden. Laut Vertragsklausel stehen ihm 3,5 Mill. Euro zu. Im Grunde müssten Vereinsmitglieder bei jeder Versammlung auf die Barrikaden gehen. Die arme Hertha hat so kein Geld mehr für nötige Verstärkungen. Weiterhin ist zu hören und zu sehen, dass Hertha BSC großen Krach mit Axel Kruse hat.
Bei Axel fällt mir plötzlich wieder die oft gehörte Aufklärung im Elternhaus ein: Bei Konflikten und Auseinandersetzungen mit solchen Spannungen gibt es stets zwei Seiten! Ich mochte den Stürmer Axel Kruse im Hertha-Dress auf dem Feld. Nach einer Hertha-Mitglieder-Versammlung verließ ich zufällig das ICC zusammen mit Axel Kruse. Er sprach mich auf meine gute Meinung zu zwei damaligen Vorstandsmitgliedern an, die bei Präsident Werner Gegenbauer in Ungnade gefallen waren. Wie falsch ich liege, untermauerte er zu meiner Verwunderung, garniert mit zwei Schimpfwörtern, die nicht druckreif sind. Daraufhin interessierte ich mich spezieller über das Wirken von Axel Kruse nach seiner Zeit als Fußballprofi. Der Tenor: er sei sehr pfiffig und cool, vor allem dem Geld hinterher. Seine eigenen Geschäfte liefen angeblich nicht so gut und schon deshalb sei er ein Verbündeter von Werner Gegenbauer damals gewesen.
Christian Zschiedrich