Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich, der 1. FC Union erkämpfte sich mit dem Glück des Tüchtigen den ersten Sieg in der Bundesliga. Die Anzeigetafel kündete von der Sensation, der Championsleague Teilnehmer und Meisterschaftsaspirant Borussia Dortmund musste sich mit 1:3 in Berlin Köpenick geschlagen geben. Dortmunds Kapitän Marco Reus bekannte: „Wir haben uns dumm angestellt.“ Vielleicht wurden die Eisernen etwas unterschätzt. Sie agierten mit enormer Laufbereitschaft. Ein Blick in die Daten zeigt, dass die Eisernen fast 7 km mehr liefen als die Dortmunder. War die Führung durch den Mann des Spiels Marius Bülter insofern glücklich, dass es den Eckball nicht hätte geben dürfen, der dem Treffer vorausging, so verdienten sich die Wuhlheider mit zunehmender Spieldauer den Erfolg.
Die Eisernen waren effektiv, nutzten als spielerisch unterlegene Mannschaft zwei Eckbälle und einen der wenigen Abwehrfehler der Dortmunder für ihre Tore. Union hatte lediglich 26 % Ballbesitz und dazu eine unterirdische Passquote von 64%. Mit diesen Werten kannst du eigentlich kein Spiel gewinnen. Manchmal eben doch, wenn du, wie es Urs Fischer ausdrückte, eklig bist. Rennen bis zum Umfallen. Die Dortmunder ließen nicht viel zu, konnten aber mit ihrer Überlegenheit mit zunehmender Spieldauer immer weniger anfangen. Den Kombinationen der Dortmunder fehlte es an Tempo und der letzten Präzision.
Urs Fischer brachte drei Neue für die Startelf, in der Innenverteidigung spielte Marvin Friedrich für den gesperrten Keven Schlotterbeck. Im defensiven Mittelfeld kam Manuel Schmiedebach für den verletzten Grischa Prömel zu seinem ersten Startelfeinsatz der Saison und im offensiven Mittelfeld begann Anthony Ujah für Suleiman Abdullahi. Die beiden Stürmer kamen nur selten zu ihrer eigentlichen Aufgabe, sie waren meist der erste Wellenbrecher für Dortmunder Angriffsbemühungen. So glänzte Andersson als offensivster Spieler der Eisernen, neben seinem Tor zum 3:1 auch mit der zweitbesten Laufleistung im Spiel.
Zum Mann des Spiels avancierte bei aller Prominenz auf dem Rasen der Wuhlheide, ein eher unbekannterer Nachwuchsmann. So überraschend wie das Ergebnis, schnürte der Neuzugang und noch nicht so prominente offensive Mittelfeld-Akteur Marius Bülter einen Tore-Doppelpack. Er spielte in der Saison 2017/18 noch für den SV Rödinghausen in der Regionalliga West und war erst vor wenigen Wochen mit dem 1. FC Magdeburg nach der Niederlage beim 1. FC Union aus der 2. Bundesliga abgestiegen. Eine schöne Geschichte, die der Fußball hier geschrieben hat. Der 26jährige in Ibbenbühren geborene Bülter ist ein Spätstarter, hat keine Ausbildung in einem Fußball -Internat eines namhaften Clubs durchlaufen. Für diese Saison ist er vom 1. FC Magdeburg ausgeliehen. Das Fußballmärchen erfährt hier noch eine Steigerung.
Es war kein Spiel für Fußballfeinschmecker, das wird An der Alten Försterei schwer zu realisieren sein. Es könnte den Weg aufzeigen, was in dieser Saison möglich ist. Immerhin hat der 1. FC Union bereits vier Punkte gesammelt, während der Rivale aus Charlottenburg mit einem lediglich einem Punkt eher in den Startlöchern hängen geblieben ist. Nach der Länderspielpause steht erneut ein Heimspiel auf dem Programm. Werder Bremen darf sich dann mit den Bedingungen und der Spielstärke des 1. FC Union auseinandersetzen.
Hans-Peter Becker