Nach dem 0:4 gegen Mainz 05 und der schwankenden Leistungen wegen, gaben viele Berliner keinen Pfifferling mehr auf Hertha BSC gegen Borussia Dortmund. Bielefeld hatte tags zuvor in Leipzig 2:0 gewonnen und damit Hertha in der Tabelle überholt. Sogar eingefleischte Herthaner rechneten: Wenn Hertha bei 18 Punkten nach der Hinrunde bleibt und genauso viele in der Rückrunde holt, dann käme Hertha am Ende auf 36 Punkte. Damit sind aber schon viele Vereine abgestiegen. Um sicher zu gehen, benötigt man zum Klassenerhalt erfahrungsgemäß 40 Punkte. Entsprechend dieser Hochrechnung hätte Hertha schließlich 42 Punkte und bliebe in der Bundesliga. Dem Geld und der eigenen Ansprüche nach keinesfalls das Gelbe vom Ei, aber immerhin…

Der 17. Spieltag bescherte den Berliner Clubs, wer hätte das gedacht, sechs Punkte. Der 1. FC Union gewann auswärts in Bochum, keineswegs etwa einfach, 1:0 und sicherte sich mit den letzten drei gleich 27 Punkte, Hertha BSC kommt auf 21 Punkte und damit auf Tabellenplatz 11. Union muss zum Rückrundenauftakt nach Leverkusen und Hertha hat am Sonntag, 09. Januar 2022 gleich wieder ein Heimspiel, empfängt um 15.30 Uhr den 1. FC Köln. Die Kölner müssen sich warm anziehen, wenn Hertha mit der Einstellung über 90 Minuten und Nachspielzeit wie gegen Dortmund spielt. Aber Moment mal, die Kölner können doch auch leidenschaftlich kämpfen. Weshalb jedoch wurde der 3:2-Sieg der alten Dame über Dortmund überhaupt möglich? Trotz des Pausen-Rückstandes und obwohl Hertha-Trainer Tayfun Korkut nach der Blamage in Mainz einige Ausfälle ausgerechnet gegen die Borussen zu verkraften hatte.
Jeder der Zuschauer sah von der ersten Minute an, wie sich Hertha gegen die Umstände und einer im Grunde überlegenen Mannschaft stemmte. Mit solch einer Körpersprache war Hertha bisher nicht aufgelaufen. Geradezu bissig und aggressiv wurde um jeden Ball und jeden Zentimeter Boden gekämpft. Zweikämpfe wurden nicht nur angenommen, sondern sogar gesucht – mit großem Durchsetzungsvermögen und starkem Willen in den Duellen. Natürlich liefen die Herthaner gegen Ende auf dem Zahnfleisch. Doch die Willenskraft erlahmte nicht. Welch großartiges Laufvermögen. Da war doch tatsächlich einer für den anderen Mitspieler da und in der Regel Sekunden vor den Dortmundern am Ball. Lobenswert wie die Lücken geschlossen und wie zielstrebig Konter gefahren wurden. Der Ball wurde nie aus den Augen gelassen und der Gegner auch nicht. Keiner verkroch sich. Der Ball wurde sogar leidenschaftlich gefordert. Imponierend das Nachsetzen und Abwehrverhalten der Stürmer. Na bitte, Hertha kann’s doch! Ab jetzt weiß Hertha, was Geschlossenheit im Mannschaftsspiel bedeutet. Arme Kölner!
Christian Zschiedrich