So überaus erfolgreich die letzte Saison auch war, mitunter spielten die Eisernen ja über ihre Möglichkeiten und hatten obendrein verdientermaßen Glück in den entscheidenden Phasen. Dass sich das in dieser Saison nicht unbedingt wiederholen wird, befürchtete der ein und andere Union-Anhänger. Dass es, wie nicht nur die Medien verkünden, zum freien Fall kommen wird und dass heuer dem Stand nach gegen den Abstieg gespielt werden wird, eine solche Diskrepanz war nicht eingeplant.
Union verlor leider, erneut, wichtige Spieler, befand sich demzufolge im Umbruch. Die Neuen versprachen, dem Namen nach, gleichwertigen Ersatz. Das hat man häufig, dass noch so gute Spieler berechtigte, höhere Erwartungen schüren, wen aber wundert es, wenn das Ineinandergreifen im Mannschaftsgefüge nicht immer effiziente Resultate hervorbringen.
Geduld, Geduld! Die hat weiß Gott der 1. FC Union. Und der Fußball-Gott scheint in allen Belangen gegen jegliches Aufbäumen der Köpenicker zu sein. Allein das Beispiel der Roten Karte von Schiedsrichter Sascha Stegemann gegen Trainer Urs Fischer, er beleidigte niemand und äußerte sich auch nicht laut. Regel hin und Regel her, muss man sich in einer solchen Situation mit einer Roten Karte profilieren?
Ich formuliere deshalb eine reine Gefühlslage und den Anschein von denen, die der falschen Annahme waren, der Schiedsrichter wolle gegen den gutmütigsten Unioner eine Lachnummer produzieren oder aber den Trainer so provozieren, dass der die Fassung verliert und handgreiflich wird. Natürlich war Urs Fischer in seiner und der Lage des Vereins nach bis in die Haarspitzen enorm angespannt. So wie es gute engagierte Trainers sein müssen. Um das zu erahnen, braucht man nicht viel Fingerspitzengefühl. Zum Glück ließ er sich nicht provozieren, er beherrschte sich und erklärte, doch nichts Anstößiges getan oder geäußert zu haben.
Wiederholt bekam der 1. FC Union Komplimente, gut gespielt und mit Pech verloren zu haben. Der Verlierer kann sich dafür nichts kaufen. Dafür kann selbstverständlich auch kein Unparteiischer was. Für das im Absatz zuvor zu Papier gebrachtes aber auf jeden Fall.
Die Rote Karte für Rani Khedira, nach genau einer Stunde Spielzeit, da regte sich keiner groß auf. Er hat zum Glück, mit zu hohem Bein und im Zweikampf zu spät kommend seinen Gegenspieler nicht verletzt. Sein Gegenspieler war voll im Tempo schneller. Khedira wäre sonst, wie wir ihn kennen, geschickter gewesen. Er sah in seinen vielen Bundesligaeinsätzen bisher noch keine Rote Karte. Ich erwähne die Hinausstellung auch nur als Fakt, passend zum Spiel, wie das Eigentor von Knoche.
Wer einmal selbst Fußball gespielt hat, erkennt in der Zeitlupe das in Brusthöhe zu hohe Bein von Khedira, das er jedoch, ganz deutlich, sofort zurücknimmt. Sein Bein sofort im Kniegelenk abwinkelte und damit Schlimmeres selbst verhinderte. Ich weiß, es muss nicht zu Verletzungen führen, die Gefahr ist laut Regel bereits zu ahnden. Dennoch, es war kein gefährliches gestreckte Bein! Gerade wieder genesen, wird Khedira in den nächsten drei wichtigen Spielen gesperrt fehlen. Wer kein Glück hat, da kommt eben Pech hinzu. Zudem, wer unten in der Tabelle steht, muss eine Menge mehr Ungereimtheiten ertragen. Er hat versucht, sich beim Foul fair zu verhalten. So manch taktisches Foul wird allwöchentlich weniger bestraft.
Zurück zu Urs Fischer und den elf verlorenen Pflichtspielen. Seit vielen Jahren beobachte ich Trainerentlassungen (nicht nur in der Bundesliga), wenn – spätestens nach fünf Pflichtspielen in Folge – kein Punktgewinn zu Buche schlägt, muss der Trainer als schwächtes Glied in der Kette gehen. Es gibt Ausnahmen, gut, beim 1. FC Köln (Pokalaus in Kaiserslautern) sind es mittlerweile sechs Spiele. Es folgen jetzt für Steffen Baumgart machbare Partien gegen Augsburg und Bochum. Aber wehe wenn…. am 12. Spieltag kommt Bayern München.
Die große Ausnahme der 1. FC Union – 11 Niederlagen und es folgen jetzt Eintracht Frankfurt und Bayer Leverkusen. Es waren fünf atemberaubende, erfolgreiche Jahre unter Urs Fischer. Bundesliga-Aufstieg 2019, Klassenerhalt 2020, Qualifikation für die Europa Conference League 2021, 2022 für die Europa League und die Krönung, für die Champions League 2023. Das ist nicht nur außergewöhnlich, das werden die Eisernen ihrem Trainer Urs Fischer nie vergessen! Für mich war die rote Karte überzogen.
Er hatte ja bereits vor dieser Saison, entgegen aller Erwartungen, das geahnt und gewarnt, Verdienste hin und her. Präsident Dirk Zingler wird sich bei allem Dafürsprechen bestimmt für den Erhalt von Urs Fischer einsetzen, aber sich gezwungenermaßen die Frage stellen müssen, „doch handeln“ zu müssen! Oder soll er sich einmal vorhalten lassen, geschlafen zu haben und nicht Herr der Situation gewesen zu sein. Ich möchte den Präsidenten trösten. Wenn in dieser Saison alles in die Hose gehen sollte – noch ist es nicht so weit – ich würde Union und dem Präsidenten selbst im Falle eines Abstiegs in der Tat die Stange halten. Nur dann nämlich ist die Gewähr, mit dieser Mannschaft und diesem Trainer sofort wieder aufzusteigen. Die Mannschaft hört auf ihn. Außerdem, die Rückendeckung kann Wunder bewirken. Die Eisernen werden sich fangen – mit Urs Fischer.
Christian Zschiedrich