Japan besiegt die Dummheit im deutschen Team

Da nützen keine schönen Worte, um es deutlich beim Namen zu nennen, geradezu haarsträubend dumm offenbarte sich das deutsche Team gegen Japan in den entscheidenden letzten 20 Minuten. Anstatt sich selbst hochzujubeln „wir haben einen Kader voller guter Talente“, sollten die Aktiven realistisch, voller Demut nach Spanien schauen, wie ihre Talente effektiv und leidenschaftlich auftrumpfen und zu Werke gehen. Dem Spielverlauf nach begründe ich meine Kritik, ein Spiel aus den Händen zu geben, das nach eigenen Aussagen und Erfahrungen das wichtigste bei dieser Weltmeisterschaft ist. Die Mannschaft wusste, worum es zum Auftakt gegen Japan geht und war entsprechend darauf vorbereitet. Sie ist nicht reif für einen so herbeigesehnten Erfolg. Letztendlich dürfen da auch keine Ausreden zählen.

Trotz Führung verlor die deutsche Elf, wie 2018 gegen Mexiko, auch bei der WM 2022 im Khalifa International Stadion ihr erstes Spiel. Maeda erzielte das erste Tor (8.) für Japan. Zum Glück galt es wegen Abseits nicht. Danach kam überhaupt nichts mehr im ersten Durchgang von den Japanern. Total enttäuschend, defensiv eingestellt, zogen sich die Blauhemden zurück und brachten nach vorn keine einzige Deutschland gefährdende Aktion zustande. Deutschland dominierte, hatte das Geschehen fest im Griff, selbst der für Kehrer nominierte Verteidiger Schlotterbeck wurde zusehends sicherer.

Deutschland erspielte sich zahlreiche Torchancen und belohnte sich endlich in der 33. Minute. Gündogan verwandelte einen Foulelfmeter zum 1:0. In der Luft lag wiederholt das 2:0. Häufig vergebene Chancen werden irgendwann bestraft. Die Volksweisheit kennt jeder Nationalspieler. Trotz der eindeutigen Dominanz und einer Nachspielzeit von 4 Minuten schaffte Deutschland es nicht, nachzulegen. Dass Kai Havertz einmal den Bann brach und einen Treffer kurz vor der Halbzeit erzielte, war symptomatisch. Leider zählte das Tor infolge Abseits nicht, Halbzeit 1:0.

Chefredakteur Christian Zschiedrich

Etwas mutiger begannen die Japaner den zweiten Durchgang, taten sich offensiv aber immer noch schwer. Deutschland dominierte weiterhin, 83 % Ballbesitz. Japan verteidigte mit Mann und Maus und schloss sehr geschickt Lücken. Thomas Müller war derjenige, der hin und wieder Freiräume mit Laufarbeit für seine Mitspieler schaffte. Und richtig gefährlich wurde es immer, wenn Musiala in den Strafraum eindrang, dazu in der Lage war, Gegenspieler auszutricksen. Eine Stunde lang ließ Deutschland viele Chancen liegen. Es hatte dann den Anschein, als merkte das Team gar nicht, dass Japan taktisch umbaute, offensive Kräfte einwechselte, ohne etwa die Abwehr zu vernachlässigen. Imponierend war dabei ihr Konterspiel.

Deutschland kassierte in der 75. Minute den Ausgleich durch den vier Minuten vorher eingewechselten Freiburger Ritsu Doan. Die japanischen Wechsel „saßen“, die der Deutschen nicht. Kein Vorwurf, wenn ein Trainer nach einer Stunde frische Kräfte ins Match schickt. Die Frage muss erlaubt sein, ist es erforderlich, wenn die Mannschaft führt und dominiert. Im Vorfeld hieß es, die Spieler seien topfit. Fest steht, es gab einen Bruch im Spiel der Deutschen. Plötzlich griff Japan vehement an, sogar mehr denn je nach dem Ausgleich.

Mir fiel auf, wenn Deutschland in Ballbesitz gelangte, alle verteidigten. Da war kein Durchkommen und da waren keine Räume in der geschlossenen Verteidigung. Ich staunte, wie alle zurück sprinteten und wieder weite Wege nach vorn liefen. Wiederholt versammelten sie sich im und um den eigenen Strafraum, wenn in der eigenen Abwehr Schwachpunkte erkannt wurden. Ich hätte verstanden, den schläfrigen Süle und dazu Schlotterbeck auszuwechseln. Ich hätte nie Musiala und Müller rausgenommen. Bezeichnend, die 83. Minute, der Bochumer Takuma Asano lief Schlotterbeck mit einem langen Ball am rechten Flügel davon und erzielte aus spitzem Winkel den Siegtreffer für Japan.

Nicht allen war aufgefallen, weshalb Schlotterbeck den Kürzeren zog. Schlotterbeck wollte auf Abseits spielen. Das wäre es auch gewesen, hätte nicht Süle im Rücken des Dortmunder die Abseitsstellung, nicht mitspielend, aufgehoben. Bei solchen Abwehrfehlern und Schwachpunkten in einem Team verstehe ich all diejenigen, die jetzt nach dem erfahrenen Mats Hummels mit hervorragendem Auge und erstklassigem Stellungsspiel rufen. Eine den Leistungen nach zu erwartende weitere Niederlage am Sonntag gegen Spanien heißt: Deutschland ist draußen!

Für Deutschland war die lange Nachspielzeit, erster Durchgang 4 Minuten, zweiter Durchgang 7 Minuten, eine Chance. Dennoch kommt mir in den Sinn, wenn nicht durch Verletzungen lange Spielunterbrechungen gegeben sind, wieso werden dann insgesamt 11 Minuten nachgespielt? Das verlängert doch die Spielzeit offiziell. Die Wechsel wurden auch zügig vorgenommen, allerdings sind es meiner Meinung nach zu viele, je Mannschaft fünf mögliche. Das muss nicht sein. Zu meiner Zeit gab es gar keine Wechselmöglichkeiten. Bedeutete: „Erst den Gegner dezimieren und dann gewinnen“! Wer verletzt wurde, hatte eben Pech. Liebe Regelexperten, die häufige Wechselei nervt und macht vieles für die Zuschauer kaputt. Drei Wechsel tun es doch auch.

Christian Zschiedrich

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Christian Zschiedrich

Er kann von sich mit Fug und Recht behaupten, immer ein Leben für und durch den Sport geführt zu haben. Er spielte Fußball, nicht mal untalentiert, brachte es dabei zu einigen Ehren, studierte Sport in Leipzig, arbeitete als Sportlehrer und trainierte Fußballmannschaften. Zwischendurch erwarb er beim DFB seine Trainerlizenz. Nach und nach entdeckte er dabei sein Herz für den Sportjournalismus, schrieb Artikel für verschiedene Zeitungen und hob in Berlin eine eigene Sportsendung im Lokal-TV aus der Taufe. Über 2.000 Sendungen wurden unter seiner Leitung produziert. An`s Aufhören verschwendet er keinen Gedanken, schließlich bietet das Internet viele neue Möglichkeiten.

Ein Gedanke zu „Japan besiegt die Dummheit im deutschen Team“

  1. Na ja Dummheit, hat wohl eher auch was mit Qualität zu tun. Süle und Schlotterbeck waren die Schwachstellen. Der japanische Trainer hat bereits mit Beginn der 2. Halbzeit taktisch umgestellt und so die bessere Antwort gefunden. Was die langen Nachspielzeiten betrifft, hoffe, dass das nicht in der Bundesliga Schule macht.

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