Blindenfußball-EM erstmals in Deutschland

Frank Toebs berichtet Foto: Sportick

Überraschend große Kulisse am Anhalter Bahnhof
Als die Mannschaften ihr Aufwärmprogramm beendet hatten, wurde es, wie sonst auch in Fußballstadien, besonders laut auf den Zuschauerrängen. Auf diesem Spielfeld hinter dem Tempodromzelt ist sonst eher wenig los, wenn die Mannschaft von Al-Dersimspor hier in der Berlin-Liga ihre Partien bestreitet.
In einer speziell aufgebauten Arena mit noch einigen freien
Plätzen gelang der deutschen Nationalmannschaft der Blindenfußballer bei der EM ein Sieg erst in der „Verlängerung“ des Auftaktspiels. Nach 2:0-Führung am Freitagabend gegen Italien mussten beide Mannschaften wegen eines Unwetters nachsitzen und den Rest der Begegnung am Sonnabend fortsetzen. Die Treffer erzielten Taime Kuttig und Spielführer Alexander Fangmann.
Ein Starkregen hatte die Turnierleitung zur Unterbrechung gezwungen. Etwa 2000 Zuschauer sahen auf dem Lilli-Henoch-Sportplatz am Anhalter Bahnhof dennoch eine gelungene Auftaktveranstaltung. Zehn Mannschaften kämpfen erstmals auf deutschem Boden um den Titel. Es treten auf einem an den Längsseiten durch Banden abgeschlossenen Feld
(40 x 20 Meter) jeweils 4 Spieler, die abgedunkelte Brillen tragen, an. Ein (sehender)Torwart hütet den Kasten. Durch einen besonderen Spielball, der Rasseln eingearbeitet hat und etwas schwerer, dafür aber kleiner als ein Fußball ist, ferner durch Zurufe vom Trainer, Torwart und einem Mann hinter dem gegnerischen Tor können die Spieler sich orientieren. Das Tor hat die Größe eines Hockeytores. Effektive Spielzeit ist meist viel länger als die vorgesehenen 2 x 20 Minuten, weil bei jeder Unterbrechung die Uhr angehalten wird. Sehr rigoros werden jedes „In-den-Weg-stellen“ und kleinste Drängeleien geahndet. Um sich untereinander bemerkbar zu machen, wird „VOY“ gerufen. Der spanische Ausruf bedeutet etwa „Achtung, ich komme!“.
Die eingeschränkte Orientierung bringt es mit sich, dass das Spielgerät meist in Einzelaktionen Richtung Tor vorangetrieben wird. Welch erstaunliches Geschick und Einfühlungsvermögen aber nötig ist, um die Richtung zu halten und durch Tricks den Gegner abzuschütteln, konnte jeder Besucher vorher auf einem Parcours am Eingang selbst mit einer Dunkelbrille testen. Um damit überhaupt halbwegs mit Ball geradeaus laufen zu können, ist immer eine zweite Person nötig.
Im zweiten Spiel der deutschen Mannschaft folgte am Sonntag eine 1:2-Niederlage gegen Frankreich. Wenn am Montagabend Rumänien bezwungen werden kann, könnte es ein Halbfinale mit einheimischer Beteiligung am Donnerstag geben. Dafür müsste man aber erst noch gegen England am Mittwoch bestehen. Das Finale findet am Sonnabend um 19.30 Uhr statt. Dann wird, falls Petrus mitspielt, wieder der Lautstärkepegel auf den Rängen ansteigen. Allerdings nur bis zum Anpfiff, weil Blindenfußballer schließlich eine lärmarme Arena benötigen.

Frank Toebs

 

 

Veröffentlicht von

Christian Zschiedrich

Er kann von sich mit Fug und Recht behaupten, immer ein Leben für und durch den Sport geführt zu haben. Er spielte Fußball, nicht mal untalentiert, brachte es dabei zu einigen Ehren, studierte Sport in Leipzig, arbeitete als Sportlehrer und trainierte Fußballmannschaften. Zwischendurch erwarb er beim DFB seine Trainerlizenz. Nach und nach entdeckte er dabei sein Herz für den Sportjournalismus, schrieb Artikel für verschiedene Zeitungen und hob in Berlin eine eigene Sportsendung im Lokal-TV aus der Taufe. Über 2.000 Sendungen wurden unter seiner Leitung produziert. An`s Aufhören verschwendet er keinen Gedanken, schließlich bietet das Internet viele neue Möglichkeiten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert