Union in Not

Was für ein meist sinnfreies Gequatsche vor einem Bundesligaspieltag, nehmen wir den erneuten Interimstrainer Marco Grote vom 1. FC Union, der in der obligaten Pressemitteilung vor dem Spiel mit den Worten zitiert wird: „Unser Kabinenzusammenhalt ist stark, wir versprühen viel Energie und genau das wollen wir morgen von der ersten Sekunde an auf den Platz bringen. Wir haben alle Bock auf dieses Spiel!“ Wirklich! Zunächst lief alles nach Plan. In der 19. Minute verwandelte Kevin Volland einen Handelfmeter zur 2:0 Führung, vier Minuten zuvor hatte Robin Knoche per nach einem Eckball getroffen. In Köln-Müngersdorf wurde es immer ruhiger und die Hoffnungen auf ein Fußballwunder schwanden.

Gegen harmlose Kölner schienen die Eisernen alles im Griff zu haben. In der 45. Minute zeigte Deniz Aytekin erneut auf den Punkt. Nach einem Eckball für Köln klammerte Rani Khedira, etwas zu lange, seinen Gegenspieler Timo Hübers. Beide gingen zu Boden, weil zusätzlich ein Kölner Spieler einen Block stellte. Diesen Block hätte man als Stürmerfoul werten können und das vorherige klammern von Khedira als noch handelsüblich. Statt einem Elfer hätte es mit einem Freistoß für Union weitergehen können. Das war Pech, eine krasse Fehlentscheidung war es nicht. Zumal der Handelfmeter für Köln ebenso mit Pech verbunden war. Es war kein absichtliches Handspiel. Faride Alidou sprang hoch, die Arme sind halt da zum Schwung holen, der Ball trifft von hinten an seine Hand, über Kopfhöhe. Nach den Regeln blieb dem Schiedsrichter keine andere Wahl. Insofern sorgte der Fußballgott hier für eine ausgleichende Gerechtigkeit.

Was in der Halbzeit zwei mit den Eisernen los war, wissen sie nur selbst. Die Führung war auf ein Tor zusammengeschmolzen, Köln mühte sich, brachte kaum etwas zustande und die Eisernen fingen an in der Frühlingssonne zu zerschmelzen. Der FC kämpfte, brachte allerdings wenig konstruktives zuwege. Der Mut der Verzweiflung und das wiedererwachende Stadion trieb die Kölner nach vorne. Kölns Glücksbringer Geißbock Hennes der IX., kaute genüsslich etwas frisches Gras und schien mit dem Fußballgott im Bunde zu stehen. In der 87. Minute fiel das 2:2 und in der Nachspielzeit, 90+3 drückte der eingewechselte Damion Downs aus kurzer Distanz per Kopf den Ball in die Maschen. Das Stadiondach muss kurz abgehoben haben. Kurz zuvor hätte Andras Schäfer für Union alles klarmachen können. Er traf den Ball nicht richtig, Marvin Schwäbe, der Kölner Goalie bedankte sich, brachte den Ball schnell ins Spiel zurück und das Unheil nahm aus Berliner Sicht seinen Lauf. Endgültig versaut wurde die Stimmung im Lager der Eisernen, als Mainz im Abendspiel gegen eine Dortmunder B-Auswahl mit 3:0 gewinnen konnte und so in der Tabelle vorbeizog. Vor dem letzten Spieltag ist der 1. FC Union auf den Relegationsplatz abgerutscht. Was ist da bloß passiert?

Fotos: © Hans-Peter Becker

Am 26. Spieltag, am 16. März 2024 wurde Werder Bremen mit 2:1 geschlagen und der Vorsprung auf den Relegationsplatz betrug neun Punkte. Bis zum 29. Spieltag schmolz der Vorsprung auf drei Punkte zusammen. Das Abstiegsgespenst fing an, über der Alten Försterei zu flattern. Selbst wenn es schlussendlich, was aus Berliner Sicht zu hoffen ist, gut ausgehen sollte, der Absturz der Köpenicker ist beachtlich. Die Saison begann mit zwei Siegen und einem beherzten Auftritt in der Champions League bei Real Madrid. In der Euphorie des Erfolges werden die meisten Fehler gemacht. Der Weg, der Köpenicker Weg wurde verlassen, jetzt muss man aufpassen nicht vor einem Scherbenhaufen zu stehen. Im Falle eines Abstieges wären einige Ziele des Vereins wohl nur schwer zu realisieren. Der Köpenicker Weg war immer, mannschaftliche Geschlossenheit geht vor individuelle Klasse. Das plötzlich sprudelnde Geld verführte dazu, mehr in individuelle Klasse zu investieren. Die Namen sind bekannt und teilweise nicht mehr im Verein. So kann es passieren, dass da eben keine eingeschworene Truppe mehr auf dem Platz steht. Hatte man nicht ein warnendes Beispiel in derselben Stadt?

Hans-Peter Becker

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