Das erste Testspiel der Saison ging in Cottbus gegen den Regionalligisten FC Energie mit 3:1 zu Gunsten des Bundesligisten aus. Für die Cottbuser war es die Generalprobe für die bevorstehende Saison in der Regionalliga Nordost, während es für die Wuhlheider um eine erste Standortbestimmung ging. Nicht mit dabei war der kürzlich verpflichtete Max Kruse.
Der 1. FC Union hat mit dem Ex-Nationalspieler zweifellos einen Akteur verpflichtet, der die Mannschaft auf ein höheres Niveau hieven könnte. Nicht nur sportlich, auch in punkto mediale Wahrnehmung dürfte er für seinen neuen Verein einiges leisten können. Kruse ist einer, der unverblümt sagt was er denkt. Einer, so drängt sich der Eindruck von außen auf, immer eine gewisse Reibung braucht, um seine Leistung zu bringen. Bei seiner letzten Bundesligastation, er war Kapitän des SV Werder Bremen, ließ sein Trainer Florian Kohfeldt verlauten, dass er ein Spieler sei, der gern gegenüber seinen Vorgesetzten anspricht was nicht passt. Solche Querdenker sind ganz, ganz selten geworden. In Bremen hatten sie unterdessen gehofft, dass der verlorene Sohn wieder zurückkehrt. Seinen Weggang hätten sie an der Weser fast mit dem Abstieg bezahlt.
Ein bisschen darf gerätselt werden, warum er sich nach dem Abenteuer Istanbul ausgerechnet für die Köpenicker entschied. Unions Kaderplaner Oliver Ruhnert wird in der Pressemitteilung zu der Verpflichtung mit dem Satz zitiert: „Dass ein ablösefreier Spieler dieser Qualität viele Optionen hatte und sich trotz wirtschaftlich deutlich höher dotierter Angebote für Union entschieden hat, freut uns sehr und zeigt, dass Union als Club mit anderen Werten punkten kann.“
Das ist die eine Seite, eine andere wird sein, wie passt ein Max Kruse, der beim den Eisernen mit der Rückennummer 10 auflaufen wird, in das taktische Konzept. Bisher trug diese Rückennummer Sebastian Andersson, der wohl nicht in Berlin bleiben wird und wenn doch, wird er künftig mit der Nummer 9 auf dem Rücken spielen. Sebastian Andersson als klassischer Mittelstürmer und dahinter Max Kruse als hängende Spitze. Das könnte funktionieren, wenn die Eisernen ihr Spiel künftig auf mehr Ballbesitz ausrichten könnten. Trainer Christian Streich hat es in Freiburg vorgemacht, als Kruse dort in der Saison 2012/13 spielte. Die Saison endete für die Freiburger auf Platz 5 und der Qualifikation für die Europa-League. Es war dort vorrangig ein 4-4-2 System. Kruse spielte meist hinter dem Mittelstürmer. In Gladbach, unter Lucien Favre wurde er ähnlich eingesetzt.
Mit einem Max Kruse machen nur lange vertikale Pässe in Richtung auf das gegnerische Tor nach Balleroberung wenig Sinn. In der vergangenen Saison war Union das Team mit den meisten langen Bällen pro Spiel (71, Ligaschnitt: 62) und der zweitschwächsten Passquote (76,1 Prozent, Ligaschnitt: 82,1 Prozent). Kruse ist vor allem ein Spielgestalter im klassischen Sinn, der Tore am liebsten vorbereitet und, das ist das Besondere, er hat auch Spaß daran selbst welche zu schießen. Der letzte dieser Art beim 1. FC Union war Torsten Mattuschka. Einer seiner Nachfolger hätte Marcel Hartel werden können. Sein Können brachte Arminia Bielefeld den Aufstieg in die Bundesliga.
Die Eisernen setzten mit Kruse weiter auf Erfahrung, der Nachwuchs hat es weiter schwer. Eine zweite Mannschaft gibt es nicht mehr, so müssen Talente wie Julius Kade und Lennard Maloney zunächst ihr Glück in der Fremde suchen. Das Ziel heißt Klassenerhalt. Sollte Max Kruse seine gewohnte Leistung für den 1. FC Union abrufen können, wird man ihm ab und zu einen kleinen Ausflug in die reichhaltige Berliner Kultur gönnen.
Hans-Peter Becker