Hertha BSC: Stand der Dinge

Christian Zschiedrich. Foto: Sportick

Für mich und viele andere steht zuerst die Frage: Weshalb können sich so viele Berliner nicht mit dem Hauptstadtclub identifizieren? Versuchen wir dafür die Gründe zu erfassen: Vorrangig ist es die unattraktive Spielart der Blau-Weißen. Wenn in vielen Begegnungen pro Halbzeit kein einziger Torschuss zustande kommt, ja was ist das für ein „mitreißender“ und „begeisternder“ Fußball. So kann auch nicht vorne „abgestaubt“ werden. Doch für die Torschüsse aus der zweiten Reihe sind nicht immer die Sturmspitzen verantwortlich. Wie ist es mit der Spielanlage, wenn überwiegend quer und zurück gespielt wird. Zielstrebigkeit ist eben mit Steilpassspiel und mit Pässen in die Tiefe gegeben. Gut, da kommt nicht jeder Pass an. Wesentlich leichter und einfacher ist es, stets den freien Mann anzuspielen. Ein bisschen Risiko sollte das Fußballspiel schon beinhalten. Profis sollten schon wissen, wie man Überzahl-Angriffe schafft und ausspielt. Dazu gehört das Risiko, mit Finten Gegenspieler austricksen zu können. Ist der Kader dafür reif genug? Ich meine Ja! In der letzten Saison verbuchte Hertha nach neun Spielen 17 Punkte, hatte gerade 0:1 in Hoffenheim verloren und war Tabellenfünfter. In der aktuellen Saison 17/18 sind es 10 Punkte, Tabellenzwölfter. Der Kader aber ist besser, das heißt eigentlich stärker als in der Vorsaison.

Nach der Niederlage in der Europa League gegen Luhansk hieß es: Hertha ist nicht reif für die Europa League. Ja, ist denn die Bundesliga vom Niveau her schlechter als die Europa League? Nicht das nach den Leistungen noch einer auf die Idee kommt, Hertha sei nicht reif für die Bundesliga! Die Berliner aber hätten gern einen Bundesligaclub, der nicht nur im Mittelfeld das Maß aller Dinge ist oder gegen den Abstieg spielt. Es müssten ja auch einmal Aktionen aufs Spielfeld gezaubert werden, bei denen der Funke auf die Zuschauer überspringt. Nico Kovac sagt: „Angriffsfußball ist schwieriger als die Verteidigung“. Aber deshalb verzichtet er mit Frankfurt nicht auf den Angriffsfußball. Das Spiel machen zu können ist gegen bestimmte Gegner, insbesondere bei Heimspielen, unerlässlich und vor allem dann, wenn man in Rückstand gerät und einem die Zeit davonläuft. Da darf nicht mehr rückwärts gespielt werden.

Hertha ist seit sechs Spielen ohne Sieg. Die Leistungen im letzten Heimspiel gegen Schalke waren unzureichend. Hätten die Herthaner in Freiburg verloren, ich hätte Verständnis dafür, wenn in Berlin die Luft brennen würde. Der Punktgewinn in Freiburg war dem Spielverlauf und den Torchancen nach doch sehr glücklich. Glück gehört im Fußball dazu. Die Ergebniskrise wurde abgewendet. Durchaus machbar sind die zwei Aufgaben in dieser Woche. Einmal im Pokal gegen Köln und um Punkte gegen den HSV, beides zu Hause im Olympiastadion. Eigentlich die Chance, Werbung für den Fußball in unserer Stadt zu bieten. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Christian Zschiedrich

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Christian Zschiedrich

Er kann von sich mit Fug und Recht behaupten, immer ein Leben für und durch den Sport geführt zu haben. Er spielte Fußball, nicht mal untalentiert, brachte es dabei zu einigen Ehren, studierte Sport in Leipzig, arbeitete als Sportlehrer und trainierte Fußballmannschaften. Zwischendurch erwarb er beim DFB seine Trainerlizenz. Nach und nach entdeckte er dabei sein Herz für den Sportjournalismus, schrieb Artikel für verschiedene Zeitungen und hob in Berlin eine eigene Sportsendung im Lokal-TV aus der Taufe. Über 2.000 Sendungen wurden unter seiner Leitung produziert. An`s Aufhören verschwendet er keinen Gedanken, schließlich bietet das Internet viele neue Möglichkeiten.

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