Viertelfinal-Aus und Schiedsrichter Anthony Taylor

Ein Ende ist nicht immer schön, meist tragisch und hässlich. Das Halbfinale findet ohne deutsche Beteiligung statt. Am Freitagabend, 5. Juli 2024 ging für die deutsche Fußballnationalmannschaft der Traum von einem neuen Sommermärchen zu Ende. Mikel Merino Zazón, offensiver Mittelfeldspieler, brachte seine Körpergröße von 1,89 m in Stellung und wuchtete, völlig blank im deutschen Strafraum, den Ball per Kopf ins Tor, die Vorarbeit leistete Dani Olmo. Antonio Rüdiger verlor ihn für einen, leider alles entscheidenden, Moment aus den Augen. Es geschah in der 119. Minute der Verlängerung, die verbleibende Zeit reichte nicht, Abpfiff durch Schiedsrichter Anthony Taylor. Spanien jubelte und Deutschland war traurig. Eine große Fußballkarriere ging zu Ende. Toni Kroos hatte zum letzten Mal als professioneller Kicker seine Töppen geschnürt. Das ausgerechnet eine Niederlage gegen Spanien, seine Wahlheimat und das Land, wo er sich zur Weltklasse entwickelte, das Stoppzeichen setzte, ist eine andere Geschichte.

In der Nachbetrachtung des Spiels wird der Schiedsrichter immer eine Rolle spielen. Es ist ja immer am besten, wenn der Name des Spielleiters aus der Erinnerung verschwindet, nur für die Statistik von Interesse bleibt. Das Viertelfinalspiel zwischen Spanien und Deutschland wird in vielen Zusammenhängen mit dem Schiedsrichter Taylor im Gedächtnis bleiben. Dass die Deutschen das Spiel verloren haben, ist nicht seine Schuld. Wer so etwas behauptet, hat schlicht keine Ahnung.

Es lief die 106. Spielminute, Verlängerung, Marc Cucurella, Spaniens linker Außenverteidiger bekommt den Ball an den linken Arm und das im eigenen Strafraum. Hand rief das Stadionrund und sofort die Gesten der Spieler im deutschen Trikot in Richtung Schiedsrichter. Der zog die Schulter hoch und legte die Arme eng an den Körper und war sich seiner Entscheidung sicher, kein strafbares Handspiel. Vor dem Fernseher war der Autor überzeugt, gleich kommt der Kontakt mit dem VAR, das mit den Händen gezeichnete Viereck und der fällige Strafstoß.

Schauen wir uns die entsprechende Regel mal im Wortlaut an:

„Für die Beurteilung von Handspielvergehen gilt, dass die Grenze zwischen Schulter und Arm (bei angelegtem Arm) unten an der Achselhöhle verläuft. Nicht jede Ballberührung eines Spielers mit der Hand/dem Arm ist ein Vergehen.

Ein Vergehen liegt vor, wenn ein Spieler:

  • den Ball absichtlich mit der Hand/dem Arm berührt (z.B. durch eine Bewegung der Hand/des Arms zum Ball)
  • den Ball mit der Hand/dem Arm berührt und seinen Körper dabei aufgrund der Hand-/Armhaltung unnatürlich vergrößert. Eine unnatürliche Vergrößerung des Körpers liegt vor, wenn die Hand-/Armhaltung weder die Folge einer natürlichen Körperbewegung des Spielers in der jeweiligen Situation ist noch mit dieser Körperbewegung gerechtfertigt werden kann. Mit einer solchen Hand-/Armhaltung geht der Spieler das Risiko ein, dass der Ball an seine Hand/seinen Arm springt und er dafür bestraft wird.
  • ins gegnerische Tor trifft: direkt mit der Hand/dem Arm (auch wenn dies versehentlich geschieht) oder unmittelbar, nachdem er den Ball mit der Hand/dem Arm berührt hat (auch wenn dies versehentlich geschieht)“ (zitiert aus dem Regelbuch des International Football Association Boards (IFAB)

Es gibt hier einen Ermessensspielraum für den Schiedsrichter und so lag vom Verteidiger kein absichtliches Handspiel vor. War das wirklich so eindeutig? Eine ähnliche Szene im Achtelfinale gegen Dänemark wurde anders bewertet. Zudem wäre es zur Überprüfung einer möglichen Abseitsstellung gekommen. Niclas Füllkrug, der den Ball für Jamal Musiala servierte, könnte bei der Ballannahme knapp im Abseits gestanden haben, dann wäre der Handelfmeter obsolet geworden. Mein Fazit, entschuldigen muss sich Herr Taylor nicht, es sollte vielmehr über die Regel zum Handspiel weiter nachgedacht werden. Sie ist aktuell so verwirrend, wie das deutsche Steuerrecht. Ob der ausgebliebene Elfmeterpfiff das Spiel zugunsten der Deutschen gedreht hätte, ist nicht sicher.

Nehmen wir das Positive, es stand da eine Mannschaft auf dem Platz, einer kämpfte für den anderen. Eine Überraschung war im Bereich des Möglichen. In zwei Jahren steht das nächste Turnier an. Und bis dahin entwickelt sich vielleicht der eine oder andere Verteidiger noch zu internationaler Klasse.

Hans-Peter Becker

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