Wer meint, Tennisbälle können kein Unheil anrichten, hatte bisher den noblen Sport im Auge und bestimmt nur positive Erfahrung machen können. Die gelben kleinen Spielobjekte lagen finanzierbar allgemein in der Gunst der Sportler und Sportinteressierten. Der optisch viel größere Fußball ist mit dem Auge viel besser zu verfolgen. Die Bälle als solche stehen keineswegs am Pranger, wohl aber die Handhabung zu Protestzwecken bei einem Fußballspiel. Zugegeben, die Aufmerksamkeit scheint sehr groß zu sein. Gewaltfreie Proteste sind in dieser Form dennoch sehr ärgerlich und hoffentlich nur eine Zeiterscheinung. Allerdings scheinen die Folgen noch gar nicht absehbar. Bisher gab es ja auch keine Verletzten, weil das Werfen mehrerer Tennisbälle während eines Fußballspiels auf das Spielfeld sofort unterbrochen wurde und ruhen musste. Bisheriger Rekord in der Alten Försterei ist eine Unterbrechung von 40 Minuten in der Samstagbegegnung der ersten Bundesliga, gestern am 10. Februar 2024 gegen den VfL Wolfsburg. Das Spiel befand sich haarscharf, „bis hierher und keinen Tennisball weiter“, am Abbruch. Die Mannschaften hatten auch demonstrativ die Umkleidekabinen aufgesucht.
Wogegen demonstriert wurde, scheint noch gar nicht Allen bekannt zu sein. Es geht um das künftige Investorengeschäft seitens der Deutschen Fußballliga DFL. Erstaunlich, wie schnell in vielen Stadien Tennisbälle flogen und das nicht etwa einseitig. Im Gegenteil, wenn die Fans des Heimatvereins aufhörten, fingen die Anhänger der Gäste auf der anderen Seite an, ihre Fracht loszuwerden. So jedenfalls in der Alten Försterei. Werten wir es schon als Zeichen der vorherigen Absprache. Wenn nach 40-minütiger Unterbrechung die Partie gegen Wolfsburg zum Glück fortgesetzt werden konnte, so wartet doch der nächste Spielabbruch geradezu. Der DFB wird auf die großartige Idee von Strafen kommen und die Vereine obendrein zur Kasse bitten. Schließlich wollen die Protestler aber ausgerechnet den Vereinen helfen, wenn auch total unausgegoren . Da muss nicht nur die DFL Überzeugungsarbeit verrichten., ehe größeres Unheil geschieht.
Ärgerlich ist es auf jeden Fall für diejenigen, die nur Fußball sehen wollen, sogar zu Abendspielen anreisen (wie lange noch) und erst weit nach Mitternacht zu Hause ankommen. Für Menschen in Berufsarbeit könnte die Stimmung entgegen dem Verständnis für die Protestler ganz schnell kippen. Bloß keine Auseinandersetzungen auf den Rängen, um sich Werfer zur Brust zu nehmen. Dann klebt euch lieber, ein Scherz, auf den Stadionsitzen fest. Der Scherz sei deshalb erlaubt, um zu verdeutlichen, wie weit ist es sinnvoll bei Protesten zu gehen, um optimale Unterstützung zu bekommen und auf keinen Fall das Gegenteil zu erreichen. Denn selbst Zuschauer, nicht vor Ort, sondern zu Hause an den Bildschirmen meinen, „es reicht nach wenigen Minuten“.
In der mehrmals unterbrochenen Partie gab es ohnehin viel Zündstoff. Niko Kovac stand als Trainer der Wölfe und nun verschärft nach dem sechsten Spiel ohne Sieg in der Kritik. Bei Union durfte Trainer Nenad Bjelica nach seiner Sperre für drei Spiele wieder an der Seitenlinie stehen. Beide kroatischen Trainer sind Freunde, spielten gemeinsam in der Nationalmannschaft Kroatiens. Bjelica ist ja durch seinen Ausraster beim Bayern-Spiel ebenfalls in die Schußlinie geraten. Diesen Vorfall wollten Anhänger der Eisernen gern nutzen, sofort den in Köln frei gewordenen Coach Steffen Baumgart zu verpflichten. Bjelica hat aber auch seine Fürsprecher bei Union. Die Szenen nach Spielschluss, dem erkämpften 1:0, dem so wichtigen Heimsieg im Abstiegskampf, verdeutlichten die Sympathien. Eine Niederlage wäre fatal gewesen.
Nach 32 Minuten ging es für kurze Zeit weiter. Nach den Abbruch-Drohungen durch Schiedsrichter Jöllenbeck gab es eine 21-minütige Nachspielzeit im ersten Durchgang. Jenz holte sich in höchster Not im Sprungduell mit Schäfer eine blutige Nase (45.+19), wurde draußen behandelt. Den goldenen Treffer erzielte Doekhis beim darauf folgendem Eckball unmittelbar vor Halbzeit in Überzahl. Das entscheidende Tor hätte infolge des Fehlens ihres Verteidigers nicht zählen dürfen, bemängelten die Gäste. Bereits davor hatte Rönnow im Tor der Unioner sich wiederholt ausgezeichnet und dann im zweiten Durchgang die Eisernen mit glänzenden Paraden vor einem Gegentreffer bewahrt. Er hatte damit den Wolfsburgern ihre vielen Großchancen zunichte gemacht. Die lobenswerte Defensive der Platzherren erinnerte an die mannschaftliche Geschlossenheit in der Vorsaison. Die erfolgreiche Abwehrschlacht war die Grundlage für den knappen 1:0-Sieg.
1 zu 0 ist auch gewonnen, erst recht in einem so bedeutungsvollen Match. Wolfsburgs Negativserie setzt sich fort. Union vergrößerte den Vorsprung auf den Relegationsplatz 16 zunächst auf sechs Punkte. Am 22. Spieltag heißt es für Wolfsburg im Heimspiel gegen Borussia Dortmund jede sich bietende Chance zu nutzen. Union muss reisen und auswärts gegen die TSG Hoffenheim antreten.
Christian Zschiedrich