Den Schweizern wird gemeinhin nachgesagt, die Ruhe wegzuhaben und aus selbiger sind sie schwer zubringen. Die aktuelle Situation beim 1. FC Union führt mehr und mehr dazu, dass die sprichwörtlichen Nerven blank liegen. Nach dem Abpfiff sah Urs Fischer die rote Karte, weil er etwas zu heftig Schiedsrichter Sascha Stegemann bedrängt haben soll. Der souverän leitende Schiedsrichter kam bis zur 85. Minute ohne farbliche Verwarnungen aus. Erst in der Schlussphase wurde es hektisch, die alles andere als überzeugend auftretenden Unioner hatten noch eine Chance auf die Verlängerung. Die Stuttgarter hatten den Sack nicht zubinden können.
In den Großaufnahmen der TV Kamera war Urs Fischer die Anspannung anzumerken. Eine größere Personalrochade und eine taktische Umstellung sollten die Wende bringen. Nach der 0:1 Niederlage bleibt zu konstatieren, dass Stuttgart eben einen Tick besser, das eine Tor besser war. Den Eisernen ist durchaus eine Leistungssteigerung zu bescheinigen, es reichte wieder nicht. „Ich habe heute über 90 Minuten ein ausgeglichenes Spiel gesehen. Meine Mannschaft kam mit dem neuen System gut zurecht und war gut in der Partie. Es gab Chancen auf beiden Seiten, aber am Ende entscheidet wieder eine Aktion das ganze Spiel. Insgesamt aber war es eine tolle Reaktion meiner Mannschaft.” So sah Trainer Fischer das Spiel, ein Indiz dafür, dass die Mannschaft ihm folgt.
Taktisch sortierte sich seine Mannschaft in einem 4-2-3-1 und phasenweise in einem 4-3-3 System. Lediglich Kevin Behrens war in der eigenen Hälfte von Abwehraufgaben entbunden. Sheraldo Becker und Benedict Hollerbach sollten versuchen, über die Flügel anzugreifen und brauchbare Flanken für Behrens oder den als hängende Spitze nachrückenden Kevin Volland zu sorgen. Die Durchschlagskraft hielt sich in Grenzen und sieben Torschüssen und drei halbwegs brauchbare Torgelegenheiten sind alles andere als ein Angriffsfeuerwerk. Volland spielte nahe am Totalausfall und Behrens war nicht viel besser. Bei Becker hatte man wenigstens das Gefühl, dass mit einem gekonnten Dribbling Gefahr aufkommen könnte. Hollerbach war bemüht, fehlende Spielpraxis konnte er mit seiner Spritzigkeit nicht wettmachen, zumal er auf eine ganz andere Qualität von Verteidigern trifft.
Beide neutralisierten sich weitgehend, zumal bei einem Pokalspiel, wo am Ende nur der Sieg zählt, eine gewisse Vorsicht oft übertrieben wird. Diese Niederlage für die Eisernen spitzt die Lage weiter zu. Die aktuelle Situation ist genauso schwer zu erklären, wie die Erfolgsjahre nach dem Aufstieg. Fußball ist zwar ein einfaches Spiel, dass ab und zu kompliziert daherkommen kann. Eine Trainerentlassung würde jetzt nichts bringen. Bereits am Samstag, 4.11.2023 kommt die Frankfurter Eintracht in die „Alte Försterei“ und am Mittwoch darauf geht die Reise nach Neapel.
Hans-Peter Becker
Foto: © Hans-Peter Becker