Die „schillernde Pappfigur“ des Spandauer SV – Berliner Fußballgeschichte(n) Teil 1

Gemeinsam mit Westfalia Herne stieg der Spandauer SV 1975 in die 2. Liga Nord auf. Die Saison 75/76 nahm für die Berliner einen blamablen Verlauf. Am Sonntag, dem 13. Juni 1976 setzte es am letzten, dem 38. Spieltag, gegen Göttingen 05 eine 1:4-Niederlage. Mitaufsteiger Herne dagegen landete mit 40:36 Punkten und 60:57 Toren auf Platz 10, der SSV weit abgeschlagen auf Platz 20, kassierte in der Saison doppelt so viele Tore wie Herne. Meister wurde mit 54:22 Punkten und 86:43 Toren Tennis Borussia Berlin. Borussia Dortmund landete mit zwei Punkten weniger auf den 2. Rang.

Aufsteiger bringen erfahrungsgemäß oft im ersten Jahr, mit viel Energie und Euphorie in der oberen Liga, erstaunliche Leistungen zustande. Der Klassenerhalt, auch dafür gibt es unzählige Beispiele, fällt den Aufsteigern im zweiten Jahr erstaunlicherweise schwerer.

Der SSV fand zwar großen Zuschauer-Rückhalt und vor allem in Spandau großartige Unterstützung. Die Heimspiele im damaligen Stadion am Askanierring waren stets gut besucht. Der Spandauer SV konnte sich mit den kaum erwarteten guten Einnahmen – nun sagen wir – über Wasser halten. Trotz der Misserfolge hielt der Anhang dem Club die Treue. Man stelle sich vor, der SSV hätte die ersten 14 Liga-Pflichtspiele nicht sang und klanglos verloren, so gab es nichts mit Energie und Euphorie.

Aufstiegstrainer Lothar Berger überstand die Niederlagenserie, trotz einsetzender Kritik an der Spielweise. So war der Abstieg aus taktischen Gründen angeblich vorprogrammiert. In der Regel überstehen viele Trainer eine Niederlagenserie von mehr als fünf Spielen nicht. Dass es in Spandau, mit dem SSV jedoch so schlimm kommen würde, am Ende standen 33:115 Tore und 8:68 Punkte zu Buche. Selbst Laien sagten sich, wer 115 Tore in einer Saison kassiert, da kann was nicht stimmen. In damaliger Zweier-Punktewertung bedeuteten 68 Minuspunkte 34 verlorene Spiele. Bis heute nimmt der SSV in der ewigen Tabelle der 2. Bundesliga von 127 Vereinen den letzten Platz ein.

Dem Vorstand wurde zugutegehalten, grundsolide gewirtschaftet zu haben, auch wenn die Verpflichtung von Helmut Kosmehl, dem Handball-Nationalspieler aus Gummersbach, von Insidern mit Kopfschütteln registriert wurde. Auf wessen Konto das ging, sei einmal dahingestellt. Lothar Berger klammerte sich an einen Strohhalm. Chef im Ring, mit großen Verdiensten war Präsident Heinz Balzer. Ohne die Mittel aus seinem Unternehmen am Spandauer Lindenufer wären die Erfolge bis zum Aufstieg in die Zweite Liga wohl kaum denkbar gewesen. Zwei Spieler stachen leistungsmäßig hervor: Der Torwart Ulli Bechem (am 11. Juli 2020 leider verstorben) und Allrounder Frank Marczewski. Er schoss das erste Zweitligator beim 2:7 (0:4) gegen Union Solingen. Erwähnenswert, Berger hatte nicht die gültige Trainerlizenz für die Liga. Ein Staakener Sportlehrer half, jedoch nur namentlich auf dem Papier.

So ein bitterer Abstieg hat mitunter drastische Folgen für Mannschaft und Verein. Heinz Balzer holte Christian Zschiedrich als Trainer für die neue Saison 76/77. Fortsetzung folgt…..

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