Der Wille und die Moral stimmten gegen Schweden

Kommentar Christian Zschiedrich. Foto: Sportick

An eine theoretische Chance bei einem Unentschieden zu glauben, da rechnete ich eher – bei einem 1:1 nach regulären 90 Minuten – mit dem Ausscheiden bei der WM für unsere Nationalmannschaft. Meine Stimmung war, wie bei vielen Fußballenthusiasten, am Tiefpunkt. Spätestens beim Feldverweis für Boateng (82.) Gelb-Rot. Hummels Ausfall (Probleme mit dem Halswirbel) war für mich kein gutes Zeichen und als Rudy nach einer halben Stunde mit Nasenbeinbruch gegen Gündogan getauscht werden musste, hoffte ich weiter auf einen Sieg. Die verbleibende Zeit sollte reichen.

An Jogi Löws Aufstellung hatte ich nichts zu meckern. Ich hätte gegen Mexiko von Anfang an mit Reus und ohne Özil spielen lassen. Khedira fiel mir nur bei Ballverlusten auf. Ein Spieler mit dieser negativen Körpersprache gehört auf kein Fußballfeld.

Unmittelbar nach Rudys Verletzung erzielte Toivonen das 1:0 (32.) für die Schweden. Vorausgegangen war ein Fehlpass durch Toni Kroos. Es folgte eine Schockstarre, das Team erinnerten sich an die Leistung gegen Mexiko.

Zum zweiten Durchgang brachte Löw für Draxler den erfahrenen Gomez. Deutschland stürmte vor – oft über Timo Werner – entschlossener und effektiver. Der Ausgleich fiel durch Reus bereits in der 48. Minute. Die Führung schien nur eine Frage der Zeit zu sein. Der amtierende Weltmeister gewann mehr Zweikämpfe gegen die abwehrstarken und körperlich robusten Schweden – Zweikampf Quote nach Spielende, 59 zu 41 Prozent. Schweden schien allmählich die Puste auszugehen. Sie spielte von Anfang an destruktiv und immer wieder auf Zeit. Die Ballbesitz-Statistik 76 % zu 24 % spricht Bände. Von Abschlussschwäche kann nicht wohl nicht die Rede sein. Bei zwingenden Torszenen fehlte das Glück. Als Boateng in der 82. Minute die Gelb-Rote Karte sah, brach für ganz Fußball-Deutschland die Welt zusammen. Als Löw Verteidiger Hector (87.) auswechselte, meinte ich, dass Süle‘s Minuten gekommen sind. Denkste. Kompliment an Löw, er brachte für den Verteidiger einen Stürmer, den jungen Brandt.

Die Endphase war dramatisch und nichts für schwache Nerven, 5 Minuten Nachspielzeit. Das 2:1 fiel durch einen indirekten Freistoß. Ein Kunstschuss durch Kroos ins lange Eck, welch eine Befreiung bis zum Schlusspfiff blieben nur Sekunden. Gute Nerven Herr Kroos ! Der nicht mehr für möglich gehaltene Sieg sollte einen Schub für den weiteren Turnierverlauf bedeuten. Deutschland hat das Weiterkommen wieder mehr in der eigenen Hand.

Mexiko hat mit zwei Siegen, 2:0 gegen  Südkorea und dem 1:0 über Deutschland, bereits 6 Punkte. Im letzten Spiel trifft Schweden auf Mexiko. Sollte Schweden gewinnen und Deutschland schlägt ebenfalls im ausstehenden Match Südkorea, dann haben alle drei jeweils sechs Punkte. Jetzt könnte es kompliziert werden. Schauen wir kurz ins Reglement. Zur Ermittlung der Tabellenplatzierung werden der Reihenfolge nach folgende Kriterien zu grunde gelegt:

  1. Punktzahl aus allen Gruppenspielen
  2. Tordifferenz aus allen Gruppenspielen
  3. Anzahl der erzielten Tore aus allen Gruppenspielen

Es könnte sogar eine Konstellation eintreten, wo selbst nach allen drei Kriterien die Platzierungen nicht ermittelt werden können. Es würden dann fünf weitere Kriterien angeführt:

  1. die Anzahl der Punkte aus dem direkten Vergleich
  2. die Tordifferenz aus dem direkten Vergleich
  3. die Anzahl der Tore aus dem direkten Vergleich
  4. Fair Play Wertung ermittelt anhand der der Anzahl Gelber und Roter Karten in allen Gruppenspielen
  5. das Los

Deutschland ist auch ohne Boateng, eventuell wieder mit Hummels, klarer Favorit gegen Südkorea. Die Koreaner möchten sich wohl nicht mit null Punkten von der Weltmeisterschaft aus Russland verabschieden, sind ehrgeizig genug und werden im wahrscheinlich für sie letzten Spiel bis zum Umfallen kämpfen. Zumal sie ja über eine Minichance, im Falle eines hohen Sieges über Deutschland, bei gleichzeitiger Niederlage der Schweden, verfügen. Der letzte Spieltag in der Vorrunden-Gruppe F wird spannend.

Christian Zschiedrich

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Christian Zschiedrich

Er kann von sich mit Fug und Recht behaupten, immer ein Leben für und durch den Sport geführt zu haben. Er spielte Fußball, nicht mal untalentiert, brachte es dabei zu einigen Ehren, studierte Sport in Leipzig, arbeitete als Sportlehrer und trainierte Fußballmannschaften. Zwischendurch erwarb er beim DFB seine Trainerlizenz. Nach und nach entdeckte er dabei sein Herz für den Sportjournalismus, schrieb Artikel für verschiedene Zeitungen und hob in Berlin eine eigene Sportsendung im Lokal-TV aus der Taufe. Über 2.000 Sendungen wurden unter seiner Leitung produziert. An`s Aufhören verschwendet er keinen Gedanken, schließlich bietet das Internet viele neue Möglichkeiten.

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