Ausländer rein! So antworteten türkische Besucher eines Pokalspiel zwischen Türkiyemspor und FC Union Berlin auf damals übliche Anfeindungen der Union-Anhänger. Das war 1992, und Union verlor das Entscheidungsschießen an diesem Tag. Die Szenen sind auf der größten Videoplattform in einem etwa fünfminütigen Beitrag dokumentiert und noch heute erschreckend. Nun hatten die Kreuzberger einen Grund, ihren 40. Geburtstag im Willy-Kressmann-Stadion gebührend zu feiern. Denn Türkiyemspor, als Izmirspor gegründet, gibt es bereits seit 1978. Dabei gab es am Pfingstsonntag an diesem Festtag für die Kreuzberger eine Revanche für die Köpenicker. Ohne glitzerndes Konfetti und nur mit wenig Gesängen auf beiden Seiten war vom alten Hass zum Glück nichts mehr zu spüren. Auch durch die heute anderen sportlichen Verhältnisse (Türkiyem spielt nur noch in der Landesliga) war der Spielverlauf entsprechend einseitig zugunsten des Zweitligisten. Die 1:9-Niederlage fiel etwas zu hoch aus, war aber auch unbedeutend. Viel wichtiger war den meisten unter den beinahe 1800 Besuchern der Festakt, das Gedenken an kürzlich verstorbene Mitglieder und die Partie Türkiyem-Allstars gegen „Legenden“. Die Ehemaligen blieben von Verletzungen verschont, das stand beim 8:6 für die Legenden im Vordergrund.
Ob Norbert Henkel, der frühere Torwart, Taskin Aksoy, Goran Markov, Fatih Aslan, Metin Acar, die Trainer Bülent Gündogdu und Thomas Herbst oder die einstigen Torjäger Michael Fuß und Kemal Eraslan, der alle damaligen Aufstiege mitgemacht hat, viele zeigten ihre Verbundenheit zu Türkiyem durch ihren Auftritt. Alle kann man hier leider nicht nennen.
Türkiyemspor hätte eine Kraft im alten Westberlin werden können, versagte aber im entscheidenden Moment zum Beispiel 1991im Duell gegen TeBe (0:5). Da ging es um den Zweitliga-Aufstieg. Die Gemeinde war aber auch oft zu sehr gespalten, Eitelkeiten spielten wohl eine Rolle. „Man dachte nicht mittelfristig, wollte nur schnellen Erfolg“, glaubt Taskin Aksoy. Er war bis zuletzt in der der U 23 bei Fortuna Düsseldorf tätig und glaubt noch heute, dass „genug Potential da war“. Aktuell ist die Mannschaft von der Katzbachstraße auf Tabellenrang zwei der Landesliga I, hat berechtigte Hoffnungen demnächst wieder in der höchsten Berliner Spielklasse vertreten zu sein. Nach dem 2017 überwundenen Insolvenzverfahren eine Perspektive. Nur die alten Zeiten kommen nicht wieder, sind doch mittlerweile zahlreiche andere Vereine, die sich der Türkei schon im Namen verbunden fühlen, in Berlin etabliert. Türkiyemspor ist und bleibt aber der bekannteste Klub türkischer Einwanderer in Deutschland.
Frank Toebs